Was sind Drogenausgangsstoffe?
Für die Herstellung von illegalen Drogen wie Heroin, Kokain und Amphetaminen sind Chemikalien notwendig. Diese Chemikalien werden Drogenausgangsstoffe genannt.
Ein logischer Schritt zur Beendigung der Herstellung illegaler Drogen ist es, den Zugang zu diesen Drogenausgangsstoffen zu unterbinden. Genau das soll durch Gesetze zu Drogenausgangsstoffen erreicht werden.
Bis vor einigen Jahren wurden Drogenausgangsstoffe auch legal verwendet, um seriöse Produkte wie Pharmazeutika, Kunststoffe, Kosmetika, Düngemittel und Parfüm herzustellen. Daher lag der Fokus der Gesetzgebung zu Drogenausgangsstoffen bisher auf der Überwachung des rechtmäßigen Handels. So sollte verhindert werden, dass Drogenausgangsstoffe in die unerlaubte Drogenherstellung abgezweigt werden.
Doch in den letzten 5–10 Jahren wurden für die unerlaubte Drogenherstellung in der Europäischen Union zunehmend sogenannte „Designer-Ausgangsstoffe“ verwendet. Diese Designer-Ausgangsstoffe sind den herkömmlichen Drogenausgangsstoffen chemisch sehr ähnlich und werden nur zu dem Zweck produziert, die Kontrollen zu umgehen. Sie haben meist keinen bekannten, rechtmäßigen Gebrauch.
Das stellt eine neue Herausforderungen für die Behörden der Europäischen Union dar, denn die übliche Prävention der Abzweigung erweist sich für den Handel mit Designer-Ausgangsstoffen als unwirksam.
Hier zwei Beispiele für Drogenausgangsstoffe mit legalen Einsatzgebieten:
- Essigsäureanhydrid wird bei vielen Industrieverfahren für die Produktion von Kunststoffen, Textilien, Färbemitteln, photochemischen Mitteln, Parfüms, Sprengstoffen und Zigarettenfiltern verwendet. Doch es ist auch ein wichtiges Reaktionsmittel bei der unerlaubten Herstellung von Heroin. Für 1 kg Heroin werden etwa 1–1,5 Liter Essigsäureanhydrid benötigt.
- Ephedrin oder Pseudo-Ephedrin – ein starkes Mittel zum Abschwellen der Nasenschleimhäute – wird rechtmäßig für die Herstellung medizinischer Mittel gegen Grippe oder Allergien verwendet, ist aber auch ein wichtiges Mittel bei der unerlaubten Herstellung von Methamphetamin. Mit nur 1,5 kg Ephedrin/Pseudo-Ephedrin kann 1 kg Methamphetamin gekocht werden.
Durch die breitgefächerte legale Verwendung von Drogenausgangsstoffen kann der Handel mit ihnen nicht verboten werden. Daher zielt die Gesetzgebung auf ein Gleichgewicht zwischen der notwendigen Kontrolle zur Vermeidung der Abzweigung von Drogenausgangsstoffen und der Erleichterung des Handels ab (indem kein unnötiger Verwaltungsaufwand eingeführt wird).
Ein Beispiel für Drogenausgangsstoffe ohne bekannten legalen Gebrauch:
- Alpha-Phenylacetoacetonitril (APAAN) ist eine Verbindung ohne bekannte rechtliche Verwendung, die jedoch häufig für die Herstellung illegaler Amphetamine gebraucht wird.
Auf EU-Ebene werden diese Stoffe „erfasst“ (kontrolliert) und in vier Kategorien eingeteilt:
- Kategorie 1 enthält die heikelsten Stoffe, aus denen illegale Drogen am einfachsten hergestellt werden können,
- Kategorie 2 enthält weniger heikle Stoffe,
- Kategorie 3 enthält Basischemikalien, die im Fertigungsprozess unterschiedliche Anwendungen finden (als Rohmaterial, aber auch als Lösemittel oder zur Entfernung von Unreinheiten),
- Kategorie 4 enthält Medizinprodukte für den Einsatz in der Human- und Veterinärmedizin, die Ephedrin oder Pseudo-Ephedrin beinhalten.
Wer kontrolliert sie?
In der EU sind Zollbehörden, die Polizei und andere Stellen (Gesundheit, Medizin, Inneres usw.) für die Kontrolle von Drogenausgangsstoffen zuständig. Sie arbeiten eng mit der Industrie zusammen.
In Artikel 12 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen von 1988 wird die zentrale Rolle der Industrie und Wirtschaftsbeteiligten (z. B. Herstellung, Vertrieb, Vermittlung, Import und Export, Großhandel und Einzelhandel) im Kampf gegen die Abzweigung von Drogenausgangsstoffen aus dem rechtmäßigen Handel betont.
Diese Wirtschaftsbeteiligten stellen die erste Verteidigungslinie gegen die Abzweigung von Drogenausgangsstoffen dar, da sie ihre Kundschaft am besten kennen. Der Zweck dieser Kooperation, die auf dem steten Informationsaustausch beruht, ist es, verdächtige Transaktionen leichter zu erkennen und den zuständigen Behörden zu melden. Für erfasste Stoffe (Kategorien 1 bis 4) ist dies Pflicht, für nicht erfasste Stoffe ist die Beteiligung freiwillig (aber ausdrücklich empfohlen).
Diese freiwillige Zusammenarbeit hat sich als wirksam erwiesen und bietet genug Flexibilität für schnelle Reaktionen auf sich verändernde Trends und Muster bei der Abzweigung von Drogenausgangsstoffen.
Warum werden sie kontrolliert?
Die Politik zu Drogenausgangsstoffen ist ein zentraler Bestandteil der Politik zur Verminderung der Drogenbereitstellung in der Europäischen Union.
Es trägt zum Kampf gegen die Bereitstellung illegaler Drogen bei, dass die Abzweigung rechtmäßig gehandelter Drogenausgangsstoffe in illegale Kreise verhindert wird – dies reduziert die Menge der verfügbaren Chemikalien, die zur Herstellung von Drogen notwendig sind.
Daher ist der Kampf gegen das Abzweigen von und den Handel mit Drogenausgangsstoffen ein wichtiges Ziel der EU-Drogenstrategie 2021-2025.
Die wichtigsten Aspekte der aktuellen Strategie und des ersten Aktionsplans und wie diese zur Bewältigung des sich verändernden Drogenproblems in Europa beitragen, werden in der Analyse der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht vorgestellt.
Weitere Informationen zur EU-Drogenpolitik finden Sie auf der Website der Generaldirektion Migration und Inneres der Europäischen Kommission.
Welche Gesetzgebung gilt?
Auf internationaler Ebene: das Übereinkommen der Vereinten Nationen
Die Grundlage für die Kontrolle der Ausgangsstoffe bildet das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen, das am 19. Dezember 1988 in Wien verabschiedet wurde.
Artikel 12 des Übereinkommens behandelt spezifisch „für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln oder psychotropen Stoffen häufig verwendete Stoffe“ und verpflichtet die Parteien, Maßnahmen zur Kontrolle und Überwachung des rechtmäßigen Handels mit Drogenausgangsstoffen als zentrale Möglichkeit durchzusetzen, um ihre Abzweigung zu verhindern.
Auf EU-Ebene:
Gesetzgebung:
- Verordnung (EG) Nr. 111/2005 zum Handel mit Drogenausgangsstoffen zwischen der EU und Drittländern (siehe konsolidierte Fassung hier).
- Verordnung (EG) Nr. 273/2004 zum Handel mit Drogenausgangsstoffen innerhalb der EU (siehe konsolidierte Fassung).
Umsetzung:
Zur Umsetzung dieser Verordnungen kann die Kommission delegierte Rechtsakte verabschieden:
- Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2015/1011 der Kommission
- Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2015/1013 der Kommission
- Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/1443 der Kommission
- Delegierte Verordnung (EU) 2018/729 der Kommission
- Delegierte Verordnung (EU) 2020/1737 der Kommission
- Berichtigung der Delegierten Verordnung (EU) 2020/1737 der Kommission vom 14. Juli 2020
- Delegierte Verordnung (EU) 2022/1518 der Kommission vom 29. März 2022
- Delegierte Verordnung (EU) 2023/196 der Kommission vom 25. November 2022
Evaluierung:
Am 30. November 2020 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Evaluierung der EU-Verordnungen über Drogenausgangsstoffe.
Derzeit ergründet die Europäische Kommission Möglichkeiten zur Bewältigung der Herausforderungen und Mängel, die bei der Evaluierung erkannt wurden.
Praktische Mittel zur Umsetzung
Die Europäische Kommission hat in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten und Vertretungspersonen der Industrie praktische Werkzeuge entwickelt, um die Umsetzung der EU-Gesetzgebung zu Drogenausgangsstoffen zu unterstützen.
Liste der Zielländer für Ausfuhren erfasster Stoffe der Kategorien 2 und 3
Diese Liste enthält die Namen von Zielländern für Ausfuhren, die Kontrollen unterliegen, die über Artikel 10 der delegierten Verordnung (EU) Nr. 2015/1011 der Kommission (letzte Aktualisierung am 10.8.2022) hinausgehen.
EU-Richtlinien für Wirtschaftsbeteiligte
Die Richtlinien für Wirtschaftsbeteiligte bieten praktische Orientierung zur Umsetzung der zentralen Vorschriften in der EU-Gesetzgebung zu Drogenausgangsstoffen. Aufgrund der sensiblen Inhalte werden sie von den zuständigen Behörden nur an vertrauenswürdige und bekannte Wirtschaftsbeteiligte ausgegeben.
E-Learning-Kurs für Wirtschaftsbeteiligte und den Zoll
Mit diesen Online-Kursen wird die Umsetzung der EU-Gesetzgebung gestützt und die Verbreitung bewährter Verfahren in der gesamten Europäischen Union sichergestellt.
Die Kurse werden in Verwaltungen und Unternehmen als Schulungsmaterial eingesetzt, können aber auch von Einzelpersonen zum eigenständigen Lernen verwendet werden.
Sie enthalten spezifische Informationen für Wirtschaftsbeteiligte über die Methoden, mit denen verdächtige Transaktionen und Bestellungen frühzeitig erkannt werden können. Für den Zoll sind Informationen darüber enthalten, wie verdächtige Lieferungen gezielt kontrolliert werden können.
Internationale Zusammenarbeit
Die Abzweigung von Drogenausgangsstoffen ist ein globales Phänomen und erfordert somit eine globale Reaktion. Daher ist für die Bewältigung dieses Problems internationale Zusammenarbeit unerlässlich.
Die Vereinten Nationen und das Internationale Suchtstoff-Kontrollamt
Mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen von 1988 wurden Maßnahmen zur Kontrolle des rechtmäßigen Handels mit Ausgangsstoffen eingeführt, um deren Abzweigung für die unerlaubte Herstellung von Drogen zu verhindern.
Das Internationale Suchtstoff-Kontrollamt (INCB) ist eine unabhängige und gerichtsähnliche Kontrollstelle der Vereinten Nationen, zuständig für unter anderem die Überwachung der Umsetzung des Übereinkommens von 1988. Das Amt hat auch nützliche Instrumente zur weiteren internationalen Zusammenarbeit entwickelt, nämlich das Online-System zur Vorausfuhrunterrichtung (PEN-Online) und das Precursor Incident Communication System (PICS). Weitere Informationen zum INCB und insbesondere zur Arbeit in der Abteilung zur Kontrolle von Ausgangsstoffen finden Sie auf der Website des INCB.
EU-Abkommen mit Nicht-EU-Ländern
Spezifische bilaterale Abkommen:
Zusätzlich zum multilateralen Rahmenabkommen in Form des Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1988 hat die EU eine engere Zusammenarbeit mit bestimmten Drittstaaten eingerichtet. Dies wurde über bilaterale Abkommen erreicht, mit denen die Abzweigung von Drogenausgangsstoffen durch die Kontrolle des rechtmäßigen Handels unterbunden werden soll.
Aktuell bestehen solche EU-Abkommen mit 11 Ländern: Bolivien, Chile, China, Ecuador, Kolumbien, Mexiko, Peru, Russland, Türkei, Vereinigte Staaten und Venezuela.
Diese Abkommen ermöglichen die Zusammenarbeit bei der Marktüberwachung und gegenseitige Amtshilfen (Informationsaustausch). Außerdem können Informationen zu Entwicklungen und Vorgehensweisen bei der Abzweigung von und dem Handel mit Drogenausgangsstoffen ausgetauscht werden, um passende Lösungen zur Bewältigung dieser Herausforderungen zu bestimmen.
Handelsabkommen:
Darüber hinaus schließt die EU Handels- und Assoziierungsabkommen mit Drittländern ab, in denen allgemeine Vorschriften zum Kampf gegen unerlaubte Drogen enthalten sind, darunter die Unterbindung der Abzweigung von Drogenausgangsstoffen. Diese Vorschriften bilden eine Rechtsgrundlade für die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Drogenausgangsstoffe.
Wo gibt es weitere Informationen?
Der jährliche Europäische Drogenbericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht enthält Informationen zu neuesten Entwicklungen im Bereich der Drogenausgangsstoffe, darunter zu Beschlagnahmungen und gestoppten Lieferungen durch die zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten.
- Europäischer Drogenbericht 2021 (siehe Seite 34, Daten aus 2019)
- Europäischer Drogenbericht 2020 (siehe Seite 28, Daten aus 2018)
- Europäischer Drogenbericht 2019 (siehe Seite 28, Daten aus 2017)
- Europäischer Drogenbericht 2018 (siehe Seite 27, Daten aus 2016)